persoenlicher
bericht
IX
1982
januar, die darmstaedter jury waehlt '144 fliegende briefe' zum
'buch des monats'; vortrag im goethe-institut turin: 'hoelderlin
zwischen mythos und utopie'; februar, nach dem tod karl ludwig
schneiders konkretisieren die herausgeber guenter dammann und
gunter martens den vorschlag einer satztechnischen realisierung
des apparats der georg-heym-ausgabe in bremen; der antrag auf
nebentaetigkeit in dieser sache wird genehmigt; das projekt scheitert
anscheinend an vorbehalten der dfg; wolfram groddeck, der sich
zuvor noch fuer die schon begonnene 'Empedokles'-edition interessiert
hat, verzichtet nach einem gespraech mit der senatorischen behoerde
auf eine weitere mitarbeit und sendet die einbehaltenen materialien
zu den baenden 4/5 'oden' zurueck; mai, noch vor dem abschlusz
der vertraege vereinbaren kd wolff und ich eine weitere
zusammenarbeit; wir kehren zum vielleicht haltbareren 'Sie' zurueck;
in einer einstuendigen sendung ueber den 'forschungsschwerpunkt
spaetaufklaerung' werden der hoelderlin-edition fuenf minuten
eingeraeumt; der redakteur schlieszt das interview, zu welchem
ich in den sender einbestellt wurde, mit der frage: 'was bleibt
unterm strich?'; da hoelderlin selbst von der 'stokfinsteren
Aufklärung' und ihren 'eisernen Begriffen' warnt und sein
werk dezidiert einer 'höheren Aufklärung' gilt, erklaere
ich am ende des in der universitaet bremen gehaltenen vortrags
'zum ewigen frieden / bemerkungen
zu helmut schmidts kant-lektuere' nun auch meinen austritt
aus dem 'forschungsschwerpunkt spaetaufklaerung'; senator horst-werner
franke gegenueber begruende ich diesen verwaltungsrechtlich nicht
vorgesehenen schritt mit dem im bisherigen rahmen untergewichteten
status der edition; die hoelderlin-edition und -arbeitsstelle
wird dem oben genannten verein und damit indirekt der senatorischen
behoerde unterstellt; jene rede vertritt vor allem die kant verpflichtete
position, dasz die parteiendemokratie, solange legislative und
exekutive nicht streng getrennt und die zweite abhaengig von
der ersten bleibt, ihrer form nach eine despotie auf zeit sei;
besuch von christa und gerhard wolf, sarah kirsch erhaelt durch
sie die 'fliegenden briefe'; freundschaft mit der buchhaendlerin
bettina wassmann und friedrich meckseper, der noch in worpswede
lebt; unser treffpunkt: der grosze tisch bei 'luigi' am wall;
oktober, erscheinen der baende 10/11 'Hyperion'; senator franke
reist zur diesbezueglichen pressekonferenz auf der buchmesse
nach frankfurt; dezember, beginn des umfangreichen und jahre
andauernden briefwechsels mit sarah kirsch
1983
januar, silvia von toerne, berlin, uebergibt mir toernes nachlasz
zur edition; vertrag mit luchterhand ueber 'volker von toerne
friedenserklaerung reden und gegenreden'; der haupttitel
gemaesz einem aufruf toernes; das begriffspaar bezieht sich auf
dessen engagierte, zum teil auch parteiische reden, in deren
fugen ich die anderslautenden gedichte setze: 'was soll ich dir
schreiben / mit dieser zunge zerstaeubt / / schaedel zermalmt
/ von frohen botschaften'; mai, in der sammlung luchterhand erscheint
eine kommentierte auswahl von hoelderlingedichten, darunter zahlreiche
erstmals gedruckte versionen; 1. juni, auf einladung von
ulrich sonnemann in kassel: 'al rovescio / hoelderlin nach 1806';
3. juni, wiederholung des frei gehaltenen vortrags waehrend
eines kolloquiums der universitaet frankfurt am main, zu welchem
hans dieter zimmermann eingeladen hatte; schriftliche fassung
in 'le pauvre holterling 7'; ende juni, im nachtzug zu françois
und monique fédier; ende juli, besuch von mary und emery
george in bremen; august, silvia von toerne und die lektorin
ingrid krueger protestieren gegen die konzeption 'reden und gegenreden'
im druckfertigen und vom verlag schon angekuendigten toerne-band;
ich antworte: 'es ist wahr: die gedichte als gegenreden widerlegen
das gerede, gleich welchen inhalts. dies schmerzhaft kritische
wollte ich zeigen, nach meiner art, ohne ruecksicht auf irgend
etwas. die frage ist nur, ob ich ein recht habe, aus der distanz
und mit editorischen mitteln den widerspruch aufzudecken, an
dem einer, entschiedener, wahrhaftiger und verletzlicher als
wir, zugrundegegangen ist. ich nehme es auf mich; Ihre einwaende
sprechen Sie frei.
diese prosa, weit entfernt vom finish
literarischer texte, reagiert auf merkwuerdige art auf die verbindung
mit dem element der gegenreden; es entsteht ein neues, bislang
unbekanntes paradox: die angelegenheiten, die sich toerne zu
eigen macht, sind kompromittiert dadurch, dasz er es ist und
kein beliebiger, der sich dazu genoetigt fuehlte, noetigen oder
hinreiszen liesz. damit fallen die texte aus der literarischen
kategorie ebenso wie aus der des zeitdokuments.
zu aenderungen
bin ich bereit, wo Sie mir bessere vorschlaege machen. nur das
konzept und die editorische intention des ganzen kann ich, was
Sie verstehen werden, nicht aufgeben, denn ein toerne-lesebuch,
das von allem etwas enthaelt, damit jedoch in der kategorie des
kulturellen konsumguts bliebe zum alsbaldigen genusz bestimmt
, durften Sie von mir nicht erwarten.'; silvia von toerne
zieht den auftrag, ich gebe die materialien zurueck; ende august
teilt gunter martens mit, dasz die dfg den meine mitarbeit einbeziehenden
antrag zur foerderung der heym-ausgabe abgelehnt hat; den herausgebern
wird freigestellt, einen weiteren, anders konditionierten antrag
zu stellen; september, auf der ersten sitzung des 'beirats zur
frankfurter ausgabe' vorstellung des eben erschienenen band 9
'gedichte nach 1806 / muendliches'; herbst, ich unterschreibe
den auf meinen wunsch keine verknuepfungen mit universitaeren
einrichtungen und keine definierten aufgabenstellungen enthaltenden
vertrag zur 'entfristung' meiner stelle; bekanntschaft mit volker
braun, der den diesjaehrigen literaturpreis bremen erhaelt