persoenlicher
bericht
VIII
1980
januar, ergebnisloser besuch der verleger mit wolfram groddeck
in bremen; vortrag in hamburg: 'in Zweifel und aergerniß
/ zur problematik der kritischen editionsmethode'; danach gegenbesuch
des oberseminars von gunter martens im schwachhauser ring; februar,
beratende teilnahme an den proben zu enst wendts 'antigone'-inszenierung
am bremer theater; erste bewilligung der dfg; die ebenso editions-
und revisionsbeduerftige korrespondenz hoelderlins wird jedoch
von der foerderung ausgeschlossen; michael knaupp (februar) und
michael franz (april, fuer wolfram groddeck) erhalten - gegen
den protest von kd wolff - mitarbeitervertraege und beziehen
einen gemeinsamen arbeitsraum in der universitaet bremen; wolfram
groddeck zieht sich als mitherausgeber der gesamten ausgabe und
haelt handschriftenfotos zurueck; ich bitte seinen 'doktorvater'
karl pestalozzi, universitaet basel, um vermittlung und erfahre
bei dieser gelegenheit, dasz die fakultaet den gemeinsam herausgegebenen
band fha 14 als druck der dissertation akzeptiert;
da wolfram groddeck seine vorarbeiten nur partienweise zu revision
und editorischem satz anlieferte und es danach unterliesz, mich
mit der schlieszlich eingereichten fassung bekannt zu machen,
bleiben einige schatten, zumal in der anschlieszenden pressekampagne
sinngemaesz vom 'baseler philologen' und vom 'kasseler auszenseiter'
die rede war; in der folge fortsetzung der baende 4/5 'oden'
(mitherausgeber michael knaupp) und beginn der arbeit an band 9
'dichtungen nach 1806 / muendliches' (mitherausgeber michael
franz); beide promovieren neben ihrer editorischen taetigkeit;
waehrend einer 'offiziellen' reise nach rumaenien naehere bekanntschaft
mit bruno liebrucks; mai, die dfg droht mit sperrung der mittel,
falls der druck weiterer baende nicht bis ende des jahres gesichert
ist; juni, waehrend einer hoelderlin-veranstaltung der galerie
kroener in rimsingen bei freiburg bekanntschaft und gemeinsame
plaene mit volker von toerne, der ende des jahres einem schlaganfall
erliegt; sommer, vor fertigstellung der baende 4/5 und 9 beginn
der edition des 'Hyperion' und seiner vorstufen in den baenden
10/11 (mitherausgeber michael knaupp); beginn der arbeit an den
baenden 12/13 'Empedokles', fuer die ich allein verantwortlich
zeichne; september, vertrag mit luchterhand ueber den verlag
der '144 fliegenden briefe'; oktober, auf einladung von emery
george und rainer naegele reise zu vortraegen nach ann arbor
und baltimore
1981
januar, teilnahme an einem symposium 'hoelderlin aujourd'hui'
des goethe-instituts bordeaux; als epitaph fuer volker von toerne
entsteht 'grabschrift fuer einen dichter'; der initiator der
georg-heym-ausgabe karl ludwig schneider, hamburg, kommt nach
bremen; ich liefere eine probe, wie der gleichfalls maszstabsetzende
apparat dieser ausgabe im composersatz und somit finanzierbarer
in der hoelderlin-arbeitsstelle hergestellt werden koennte; am
vorabend der emeritierung und seines ploetzlichen tods gibt er
- in einem nicht mehr unterschriebenen brief - der hoffnung ausdruck,
dasz mit der zusammenarbeit beider arbeitsstellen 'ein beispielgebendes
modell gegenseitiger hilfe bei editionen' verwirklicht werden
koenne; umzug in das haus hartungstrasze 12; im sommer ist
die druckvorlage fuer den an publikationsformen j. g. hamanns
anknuepfenden doppelband '144 fliegende briefe' abgeschlossen;
im 'ehrenbuergerliche' ueberschriebenen brief 118 dieser
sammlung erklaere ich meinen austritt aus der hoelderlin-gesellschaft:
'zeit, diese 'ehernbuergerliche' (oder ehrenbuergerliche) [verballhornung
von 'eine schönere Geselligkeit, als nur die ehernbürgerliche
mag reifen!' in der computerkonkordanz auf der grundlage der
sta, die mir die bearbeiter hans otto horch und klaus schuffels
freundlicherweise zur verfuegung stellten] gesellschaft zu verlassen.
hoelderlin braucht keine lobby, keinen eingetragenen verein,
keinen praesidenten, keinen vorstand, keinen beratenden ausschusz
und keinen sekretaer, ueberhaupt keine mitglieder, keine beitraege,
keine jahresgaben und tagfeste. vierzig jahre sind mehr als genug.
/ ich bin frei, endlich frei von dieser freiwilligkeit.'; wegen
einer formulierung mit zugehoeriger fusznote in dem als beilage
zu den vorabexemplaren entworfenen 'brief an die rezensenten'
kommt es zu einem gespraech mit dem damals als senatsdirektor
zustaendigen professor dr. reinhard hoffmann, der die uebertragung
der verlags- und herausgeberrechte an den 'verein zur foerderung
der wissenschafltichen forschung im lande bremen' und danach
getrennte vertraege mit verlag und herausgeber vorschlaegt und
eine 'entfristung' meiner stelle zusagt; die geaenderte beilage
lautet jetzt: 'meine damen und herren, / ich habe zu erklaeren,
warum Sie, statt weiterer baende der hoelderlin-ausgabe, 144
fliegende briefe erhalten, briefe, von denen ich selbst am wenigsten
weisz, wie sie wirken und was sie bewirken werden. wenn sie sich
nicht ueberfliegen lassen, wird es daran liegen. / inzwischen
kann ich nur noch gezwungen werden, mit dem verlag roter stern
zusammenzuarbeiten; dies ist das traurige resultat aller anstrengungen.
seit ich um freigabe bat und einen abschlaegigen bescheid erhielt,
ist nicht der fortgang der edition, sondern nur ihr erscheinen
fraglich. / was mit hoelderlin geschieht, ist n i c h t b e l a n g l o s . ob
es noch einmal anders wird in deutschland, entscheidet sich hier.
was dem gesang zustoeszt, ist das untruegliche zeichen fuer u n s e r e n geisteszustand.
denken Sie darueber, wie Sie wollen: es gehoert zum 'augurium
ex avibus'. / deshalb erhalten Sie fliegende briefe, statt besserem,
das unvollendet in den schubladen liegt.'