persoenlicher
bericht
VII
1978
arbeit an band 2 'lieder und hymnen' sowie redaktion und satz
des von wolfram groddeck vorbereiteten band 14; august,
nach monatelangem warten kommt ein vertrag, rueckwirkend ab 15. juli,
mit der universitaet bremen zustande, als wissenschaftlicher
mitarbeiter des 'forschungsschwerpunkts spaetaufklaerung'; obwohl
nur auf drei jahre befristet, ermoeglicht er eine laengerfristige
foerderung durch die dfg und damit auch die bezahlung von zwei
mitarbeitern sowie die anschaffung des gesamten fotomaterials;
ich zoegere nicht, meine muehsam erworbene unabhaengigkeit aufzugeben,
setze lediglich fest, dasz ich - schon wegen der laenge meines
arbeitstags - auch weiterhin zuhause arbeiten werde; september,
da nach angaben des verlags die ausgabe sich nicht trage und
die subskriptionspreise drastisch erhoeht werden sollen, schlage
ich das gleichzeitige erscheinen einer erschwinglicheren, den
studenten und einem weiteren kreis von lesern zugaenglichen studienausgabe
vor - in kleinerem format, ohne die in der historisch-kritischen
ausgabe zugaengliche dokumentation der handschriften; der verlag
lehnt ab, wolfram groddeck stellt sich auf dessen seite; in 'le
pauvre holterling 3' abbildung und kommentierung des nur im zürcher
ebel-nachlasz ueberlieferten vaeterlichen 'holunder'-siegels
und der 'herakles'-gemme, die suzette gontard-borckenstein dem
dichter geschenkt haben duerfte; in der studie 'orkus und elysium'
entwicklung des hoelderlinschen 'hesperien'-begriffs vor dem
hintergrund der dichtung vergils, dessen 'arkadische' eklogen
als zeitkritische satiren qualifiziert werden; mit wissen des
verlags disponiere ich die im oktober in vier ueberregionalen
zeitungen erscheinende, relativ erfolgreiche offerte 'jetzt koennen
Sie die frankfurter hoelderlin-ausgabe direkt vom herausgeber
beziehen'; in ihr wird auch die noch verlaglose 'studienausgabe'
auf der basis der 'frankfurter ausgabe' angeboten; trotz des
composer-satzes gehoerte band 3 'jambische und hexametrische
formen' zu den '50 schoensten buechern des jahres' 1977 (fuer
typographie und gestaltung steht allerdings: 'michel leiner');
der band erhaelt jetzt den 'silbernen adler' des festival international
du livre de nice; ich aeuszere auf der buchmesse mein befremden
und reise nach der folgenden entzweiung wie befreit ab; durch
jochen hieber wird der seit der terrorismus-debatte andauernde
dissens, in der lesart des verlags, in die oeffentlichkeit getragen
(sz, 24. oktober: 'der frankfurter hoelderlin - ein nachruf?
/ ein kuehnes projekt in gefahr eines klaeglichen scheiterns');
mit wissen des verlags schlage ich hans altenhein im luchterhand-verlag
die uebernahme der studienausgabe vor; nach frankfurt geht die
ode 'an den verlag roter stern. / vertrag. ab jetzt bedarf der
vertrag mit mir, / damit die buergerliche gerechtigkeit, / in
aller falschheit, gelte zwischen / uns, der alkäischen form
und jede // veraenderung desgleichen. vorausgesetzt, / Ihr haltet
auch genau das gesetz, will ich / so toericht sein und Euch,
auch ferner, / dienen; doch nicht allzulange. natan.'; dezember,
besuch bei eduard reifferscheid in neuwied
1979
januar, zu gast bei wolfram groddeck in basel; bestelle in cambridge
den visionaeren, bislang nicht abgebildeten red star in the clouds
auf der rueckseite von duerers 'st. hieronymus in der wildnis'
und ueberlasse das dia dem verlag, der es in der folge als plakat,
postkarte und bucheinband verwendet; februar, umzug nach bremen,
schwachhauser ring 126; abschlusz des lizenzvertrags zu
'friedrich hoelderlin / saemtliche werke / kritische textausgabe'
zwischen dem verlag roter stern und dem luchterhand verlag; kd wolff
plant die gruendung einer verlags-ag in basel - unter dem namen
eines frueheren namhaften buergermeisters -, was ihm aber von
der in basel noch ansaessigen familie untersagt wird; ich schlage
vor, den neuen verlagsnamen dem spaeten hoelderlin-blatt 'Tende
Strömfeld Simonetta' zu entnehmen; april, gruendung des
stroemfeld-verlags basel; bei der dfg werden personalmittel fuer
wolfram groddeck als 'mitherausgeber' und den in kassel studierenden
michael knaupp als 'wissenschaftlicher mitarbeiter' beantragt;
zur einarbeitung bitte ich michael knaupp und hildegard berger
um edition des verwickelten, auf einem briefumschlag ueberlieferten
trakl-entwurfs 'gestalt die lange in kuehle finstern steins gewohnt
'
nach dem modell der fha; gleich zu anfang der gestrichene passus
'rote sternenzeichen', der dann als 'rote sterne der armut' wieder
erscheint; der auch walter killy unterbreitete vorschlag einer
neuen trakl-edition, wenn schon nicht nach den prinzipien, so
doch nach dem grundmodell der frankfurter hoelderlin-ausgabe,
wurde 15 jahre spaeter in der gleichfalls bei stroemfeld / roter
stern erscheinenden innsbrucker trakl-ausgabe realisiert; bei
redaktion der von wolfram groddeck als dissertation eingereichten
vorarbeiten zu band 14 'entwuerfe zur poetik' entdeckung
der durch einen tiefen einschnitt am oberen rand des stuttgarter
foliobuchs fixierten, fuer das chronologische verhaeltnis jener
entwuerfe bedeutsamen umstellung des konvoluts (weitere und tiefgreifende
revisionen der editionsergebnisse dieses bandes erfolgten in
den mit hans gerhard steimer herausgegebenen supplementen II
'stuttgarter foliobuch' (1989) und I 'frankfurter und homburger
entwurfsfaszikel' (1999) sowie in den zur zeit noch bearbeiteten
baenden 19/20 'werke, briefe und dokumente' in choronologisch-integraler
edition); im september erscheint der gemeinsam herausgegebene
band fha 14, bei luchterhand die baende 2, 3 und 6 der kritischen
textausgabe (kta) sowie ein prospekt mit dem essay 'hoelderlin
lesen', auf den kd wolff einen rechts reagieren laeszt;
wolfram groddeck hat an der universitaet basel eine assistentenstelle
erhalten und verbuendet sich jetzt offen mit dem verlag; in einem
laengeren schreiben versuche ich ein letztes mal, ihm meine anfaengliche
und zu keinem zeitpunkt aufgegebene intention nahezubringen,
dasz historisch-kritische arbeit nicht selbstzweck, sondern weg
zu einem allgemein zugaenglichen besseren text sein koenne: 'es
liegt wohl an mir, dasz es nicht gelang, Dich und den verlag
fuer die kritische textausgabe und ihre stelle im gesamtplan
einzunehmen. die folge ist, dasz der verlag den gesamtplan zerrisz
und danach auch noch nichts weiter als die verstaendlichen, deswegen
noch lange nicht gerechtfertigten konkurrenzaengste entwickelt
und auch Du es nicht lassen kannst, negativ wertend zu vergleichen.
dasz Du die kta fuer vertretbar haeltst genuegt mir nur insofern,
als ich nicht ganz - wie soll ich sagen - unvernuenftig mit meiner
ueberzeugung dastehe. dasz ihr zusammenhang mit der fha in dem
prospekt verleugnet wird, ist einfach falsch, denn gerade
der enge zusammenhang beider ausgaben ist es, der mich auszerstande
setzt, sie nur darum auseinander zu denken, weil es Euch damals
nicht gefiel, mit mir als menschen und herausgeber zu sprechen.
die idee ist diese:
historisch |
kritische |
textedition |
|
kritische |
textedition |
|
|
textedition |
dies ist ein menschenfreundliches,
didaktisches modell; es bleibt nicht bei der utopie des idealen
lesers stehen, sondern unternimmt es, ihn zu bilden. es genuegte
einfach nicht, die aufgehobene trennung von wissenschaftlichen
und populaeren ausgaben zu behaupten. eine stelle aus dem erziehungsbrief
an ebel: 'Ich weis zu gut, daß die Natur nur stuffenweise
sich entwikelt, und daß sie den Grad und den Gehalt der
Kräfte unter die Individuen vertheilt hat! um
Wunder
zu erwarten.' den umgekehrten vorgang benennt ein satz in 'Der
Einzige': 'Treppenweise steiget / Der Himmlische nieder.'; ich
moechte also, dasz wenigstens Du begreifst, dasz nichts aufgegeben
ist
dasz ich in meinem subjektiven essay die sache in eins
denken muszte, bitte ich also zu konzedieren; alles andere ist
versuch der zensur
'; 9. november: 'liebe verleger,
/ ich bitte, mich aus dem vertrag mit Euch zu entlassen und mir
die bedingungen zu nennen, unter denen dies guetlich geschehen
koennte
'; am 27. november: 'liebe verleger, / ich
wiederhole meine bitte, mich auf guetliche weise, also nach einer
allen seiten gerecht werdenden vereinbarung, aus meinem vertrag
zu entlassen, dessen basis fuer mich nicht mehr gegeben ist.
wir haben in freundschaft begonnen; musz es mit feindschaft enden?
Ihr habt auf meine briefe nicht mehr geantwortet - seit jenem
advokatenbrief nicht mehr. auch noch waehrend des gespraechs,
zu dem ich immerhin zu Euch kam, schien Euch meine bitte, die
aeuszeren und inneren notwendigkeiten meiner ersten schritte,
nicht einmal diskussionsfaehig. das hattet Ihr schon unter Euch
ausgemacht, und diesen konsens muendlich zu hoeren, durfte ich
mit margret die reise machen. / kein mensch hat das recht, einen
anderen bei sich festzuhalten, selbst, wenn er sich diesem gegenueber
nichts vorzuwerfen haette.'; bekanntschaft mit christa und gerhard
wolf