persoenlicher
bericht
II
1959
in den semesterferien arbeit im tiefbau und erwerb der von friedrich
beiszner herausgegebenen baende 2.1, 2.2 'gedichte nach 1800',
lesarten und text, der groszen stuttgarter hoelderlin-ausgabe;
lerne den gesang 'Patmos' auswendig; linolschnittfolge zum gesang
'Der Rhein'; beatrice-begegnung und dante-lektuere: 'vita nuova',
'la divina commedia'; experimentelle arbeiten in der verwaisten
lithographie-werkstatt, darunter das blatt zu 'inferno' I, 1-60;
werkstattausstellung mit ali schindehuette und arno waldschmidt,
die wenig spaeter nach berlin gehen
1960
nach dem wintersemester freiwillige unterbrechung des studiengangs
zur ableistung des einjaehrigen wehrdiensts in der jaeger-kaserne
kassel; in der kartenstelle des bataillons nietzsche-lektuere,
radierungen und der traumroman 'garmindea'
1961
nach der entlassung aus der bundeswehr arbeit in einer setzerei;
in der politischen krise dieses sommers sechswoechiger aufenthalt
in paestum; fortsetzung des typographiestudiums
1962
als druck der staatlichen werkkunstschule kassel erscheinen 'friedrich
hoelderlin, vier unvollendete gesaenge', handsatz in walbaum-antiqua
mit vier holzschnitten; im gegensatz zur stuttgarter ausgabe
in den text aufgenommen die lesart 'Pythagorays'; auf die frage
nach dem sinn der wiedergegebenen entwuerfe 'Einst hab ich die
Muse gefragt
', 'Wenn aber die Himmlischen
', 'Sonst
nemlich, Vater Zevs
' und 'Vom Abgrund nemlich
': 'vermesse
mich nicht, den wissen zu wollen'; friedrich beiszner und martin
heidegger antworten nicht auf die von einigen dankenden zeilen
begleiteten dedikationsexemplare; im april, mit margret kienzler
vierte kunstreise nach florenz; zusammenbruch, als in der kirche
savonarolas ploetzlich die toccata d-moll bwv 565 erklingt
1963
der direktor jupp ernst erwaegt eine sonderausbildung als schriftentwerfer,
wovon aber andere dozenten abraten; november, heirat mit margret
kienzler; 1964, 1965, 1967 geburt der kinder mark, inde und moritz
1964
maerz, beendigung des 'irregulaeren' studiums buchgrafik ohne
zulassung zur abschluszpruefung; mai, anstellung bei der handwerkskammer
kassel als urkundenschreiber, werbeleiter und verwalter des anzeigenteils
im kammerblatt
1965
juni, werbe- und verkaufsleiter einer neugegruendeten firma fuer
aquaristischen bedarf bei bad wildungen
1967
die schnell marktgeltung erlangenden produkte werden von einem
konkurrenten aufgekauft; mit jenem unternehmer gruendung des
bergheim-verlags; noch waehrend der herstellung der ersten kunstmappe
'betrachtung der wilden thiere' von johann elias ridinger mit
versen von barthold heinrich brockes meldet der mitgesellschafter
konkurs an; uebernahme aller verbindlichkeiten und taetigkeit
als vertreter fuer den bertelsmann-lesering und arag-rechtsschutz;
im herbst anstellung als werbeleiter bei dem volkswagen-groszhaendler
glienicke in kassel; umzug nach lohfelden-ochshausen auf den
jetzt abgerissenen hof des bauern zimmer
1968
mit geregelterem einkommen intensivere fortsetzung der literarischen
und philosophischen studien; es entstehen typographische und
signatologische bilder, auf den resten von zeitungspapierrollen
und einer schreibmaschine mit ueberlangem schlitten die prosafahnen
'kambrium'; ermutigung durch den kunsthistoriker und maler werner
doede; er liest und kritisiert die in den naechsten jahren entstehenden
kulturkritischen essays
1969
betriebsrat im autohaus glienicke; nach einer bemerkung von karl
jaspers in 'die atombombe und die zukunft des menschen' (dasz
sich die intellektuellen deutschen stets zu schade seien fuer
die aktive mitgliedschaft in parteien, deren interne struktur
doch nur durch die wirksamkeit der besseren zu aendern sei),
im blick auf den eurokommunismus und trotz aller ddr-erfahrungen
eintritt in die dkp; die politische farce 'die anerkennung der
existenz des odysseus' wird vom theater am schiffbauerdamm angenommen,
das stueck aber von mir zurueckgezogen
1970
beginn der hoelderlin-arbeit mit 'nathanael thuguts rede an die
leviathanische jugend'
1971
beitraege fuer die fiktive zeitschrift 'paralektik', darunter,
unter dem 'dunkelmaenner'-namen wilhelm bricot, 'die haeschenschule'
1972
untersuchungen zur kontradiktorischen hoelderlin-rezeption in
adornos 'negative dialektik' unter dem titel 'wider egypten'
und 'gegenweltliches manifest'; in der studie 'hoelderlins israel'
zweifel am beisznerschen text 'Das Nächste Beste / Dritte
Fassung /
Fast, unrein, hatt sehn lassen und das Eingeweid
/ Der Erde. Bei
Ilion aber / War auch das Licht der Adler
'; werner doede
fordert mich auf, die annahme in der handschrift zu ueberpruefen;
im september reise nach wuerttemberg; beim uebergang vom rems-
zum neckartal bei nuertingen erkennen des landschaftsbilds 'Ein
wilder Hügel aber stehet über dem Abhang / Meiner Gärten.
Kirschenbäume
' und die erkenntnis 'der gesang ist
wahr'; nachmittag oben am 'Abgrund' der teck: 'Scharfer Othem
aber wehet / Um die Löcher des Felses. Allda bin ich / Alles
miteinander
'; erster besuch im hoelderlin-archiv der wuerttembergischen
landesbibliothek; stelle fest, dasz ich die manuskripte nicht
lesen kann; erwerb des katalogs der hoelderlin-handschriften
und, aus dem fundus der ende der 30er, anfang der 40er jahre
aus mitteln der farenholtz-stiftung magdeburg hergestellten schwarz-weisz-fotografien,
abzuege 176 x 122 mm des homburger foliohefts; bei entzifferung
mit hilfe der baende sta 2.1, 2.2 finde ich am rand der beanstandeten
passage das bei beiszner fehlende, von franz zinkernagel mit
'Der Rosse bis über den Gurt.', von mir faelschlich mit
'Der Rosse Leib war der Geist.' entzifferte segment