Architektur und
Typographie werden hier äquivalent behandelt. Während
die Typographie zumeist nur den schematischen Rahmen für
Text und Bild abzustecken hat und nur in seltenen Ausnahmen als
e t w a s f ü r
s i c h in den Vordergrund tritt,
erscheint sie hier als andere, streng zweidimensionale Architektur.
Zwar sind auch hier, schon durch das Format und das Raster des
typographischen Maßsystems, einige Konstanten festgelegt,
doch innerhalb dieses funktional begrenzten Netzes geraten die
sonst starren Textkolumnen in Bewegung. Was woanders nur Spiel
oder gegentextliche Selbstherrlichkeit wäre, welche den
Text nicht mehr als Zweck, sondern, in genauer Verkehrung des
ursprünglichen Verhältnisses, nur noch als Mittel der
Selbstdarstellung gebraucht diese beweglichere und freie
Behandlung der Typographie erscheint an dieser besonderen Stelle
als funktional. Wie sonst die Architektur neuen Realitäten
Raum schafft, diesmal hier die Typographie der Architektur. Zwei
verschwisterte Künste dienen sich gegenseitig. Der freie,
nach wie vor lesbare Schriftsatz spiegelt das architektonische
Grundaxiom: die Verbindung von pragmatischem Zweck und künstlerischer
Idee. Er demonstriert damit, auf anderer Ebene, sowohl das didaktische
Konzept der hier entwickelten Gestaltlehre als auch die Grundidee
der gewählten Beispiele ihre Signatur. Gerade weil
hier einmal die engen Schranken, in denen die Typographie sich
bisher legal bewegen durfte, durchbrochen sind, weil sie den
zweckhaften Block verläßt und in kühneren, zuweilen
irritierenden inkommensurablen Bewegungen den zugewiesenen Raum
durcheilt, sich selbst zu durchkreuzen scheint, bewirkt sie dasselbe
bei andren: befreit, löst die Befangenheit, die verborgene
Angst vor dem Neuen, Unbekannten, ist, in elementarer Weise,
ästhetische Vorschule. Denn wie der Lesende lernt, die eingeübten
Bahnen, das Gewohnheitsmäßige zu verlassen, lernt
er es für sich selbst, wiederum zum Nutzen andrer. Der im
Normalen verborgenen Willkür ist, täglich aufs Neue,
zu entrinnen; doch das will geübt sein. Welchen Zwang das
Normale ausübt, zeigt exemplarisch jeder neue Raum, der
durch konzeptionell neue Figurationen entsteht. Freie Formen
bilden zugleich auch freie Räume. Nicht umsonst verweigert
sich alles Lyrische dem Block, Sinnbild der totalen Rationalität,
die, in ihrer Totalität, tödlich ist, mithin auch ans
Unvernünftige, in gefährlichstem Sinn ans Irrationale
grenzt. Eben weil der Block die elementare Grundfigur der Typographie
wie auch der Architektur ist, darf keine von beiden bei ihm stehen
bleiben. Er kontrastiert, als Prinzip, der Natur
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