
waldemar otto
sich abwendende aphrodite V
bronze 1988
HEPHAISTOS
APHRODITE
Auf andere Art gesichtslos, wie die Göttin, deren Schönheit
eine Besonderheit nicht zuläßt, weil in Zügen,
die im harmonischen Sinn vollkommen heißen sollen, nichts
sein darf, das abwiche von der Regelmäßigkeit des
Kanons, und, weil sie nichts weiter verkörpert als sich
selbst, die Vorstellung gewordene Liebesfähigkeit, das Vorstellung
gewordene Liebesbedürfnis, also nicht dieses fast noch mädchenhafte,
ideale Phantombild, das, obwohl der Olymp längst leer ist,
seltsamerweise sich fortpflanzen konnte bis hin zu jenen jeder
Pose fähigen, gelenkigen Puppen der Warenwelt, weil sie
anders auch ist als die kluge, jungfräuliche Athene oder
die unnahbare, männerverachtende Jägerin, die Artemis
heißt, durch nichts weiter als eine leichte Drehung über
der Hüfte, die Frau, die immer aufs neue und immer vergeblich
den ihr Gemäßen sucht und darum dort eben am plastischsten
faßlich wird, wo sie von einem sich ab, einem anderen sich
zuwendet, von Hephaistos, mit dem sie, aus welchem Grund immer,
verkuppelt ist, den ein übermächtiger Zeus hinab auf
die Erde schleuderte, als er im unaufhörlichen Ehestreit
der Eltern die Partei Heras, seiner eifersüchtig auf Form
bedachten Mutter, ergriffen hatte, vom einzigen Gott übrigens,
den die Griechen, bei ihrem unstillbaren Verlangen nach Ebenmäßigkeit,
als defekten Mann vorstellten, als Inbegriff des Gegenzeus, des
göttlich-menschlichen Künstlers, der, mythisch gesprochen,
dort seine Werkstatt hat, wohin die Hand des Demiurgen nicht
reichte, tief unten im Krater des Vulkans, wo alles geschmolzen,
alles noch bildbar ist, vom arbeitenden Mann also, dem, während
alle übrigen Olympier bei Nektar und Ambrosia sitzen, die
Aufgabe zufiel, das Feuer zu schüren, das Werk in Gang zu
halten, und nicht nur das dem es obliegt, die anders nicht
wahrnehmbare Schöpfung begriffener und darum begreiflicher
zu wiederholen, der, seines körperlichen Makels wegen, umso
tiefer vielleicht, wenigstens aber sehender, wissender liebt,
je deutlicher er der Vergeblichkeit dieser Liebe inne wurde,
dem aber dafür, damit keine Bitterkeit aufkommt (denn immer,
so schief sie scheint, ist die Welt des waagehaltenden Zeus gerecht),
der untrügliche Blick und die zärtlich-formende Hand
zuteil wurde, von diesem hinkenden, friedlichen Hephaistos ab
dem stark gegliederten, rohen, allesverderbenden, rücksichtslosen
Ares zu, was der verlassene Künstler, unerachtet des Schmerzes,
den ihm der Anblick bereitet, zum Gelächter der Götter,
festhalten muß, und mehr noch, daß sie, in der Mechanik
der Paarung, nicht alterslos bleibt, sondern, als Inbegriff göttlicher
Untreue, in der Vergänglichkeit schwer zu ertragen ist wie
schwer gewordene Brüste, die tragische, körperlichere
Gestalt der fraulichen Gottheit im Augenblick ihrer schärfsten
Entgegensetzung zum Mann, verweist Waldemar Ottos sich abwendende
Aphrodite auf einen anders nicht darstellbaren Sachverhalt und
darüber hinaus auf die Möglichkeit, das wie aus einem
Guß zu zeigen, wozu der längste Satz nicht hinreicht.
|