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Orkus und Elysium

Die Begriffe 'Orkus' und 'Elysium' gehören einer abgeschafften Denksphäre an. Ebenso verklärt das poetische Wort 'Hesperien' einen Sachverhalt, der allem Reden zum Trotz nicht von der Stelle rücken will. Die Differenz zwischen Wunsch und Wirklichkeit – zwischen dem verwüsteten 'orbis' und den hesperischen Entwürfen Hölderlins und Vergils: einer Menschheit, die ausruht von ihren Kriegen – entspricht diesseitig genau dem Unterschied, den das jenseitige Begriffspaar bezeichnet. In dieser Analogie hat Hölderlin die träumerischen Chiffren auf die Wirklichkeit angewendet:

Was der Alten Gesang von künftigem Leben geweissagt,
     Siehe! wir sind es, wir; Orkus, Elysium ists.

Später steht an dieser Stelle der Schlußstrophe von 'Brod und Wein':

Was der Alten Gesang von Kindern Gottes geweissagt,
     Siehe! wir sind es, wir; Frucht von Hesperien ists!
Wunderbar und genau ists als an Menschen erfüllet,
     Glaube, wer es geprüft!

Das gleiche ruft Vergil dem vom 'langen Heldenzuge' zurückgekehrten Octavian zu:

quidquid eris (nam te nec sperant Tartara regem,
nec tibi regnandi veniat tam dira cupido,
quamvis Elysios miretur Graecia campos
nec repetita sequi curet Prosperina matrem)
da facilem cursum atque audacibus adnue coeptis,
ignarosque viae mecum miseratus agrestis.

['Georgicon' I, v. 36-41:

Sei, der du bist! (wie im Orkus sich keiner zum Herren dich wünscht, und
Selber dich kaum, dort zu herrschen, ankommt das schlimme Verlangen,
Von elysäischen Feldern träumst du auch Griechenlands Traum nicht,
Wo Prosperina sich weigert, der flehenden Mutter zu folgen)
Mach freie Bahn! gib ein Zeichen, gewähre das kühne Beginnen!
Denen zu helfen, die weglos im Felde irren, gib Hoffnung.]