
eberhard fiebig
rosette
1976
EIN SATZ FÜR
EBERHARD FIEBIG
in der dämmerung der maschinenzeit durch ein werk
das die aufgerissene erde die schlackengebirge den verdüsterten
himmel über den hochöfen und walzstraßen verklärt
wie ein stiller abend die katastrophen des geschichtstags dessen
authentischer ort der riesige unauffindbare schrottplatz sein
wird durch ein werk das die erinnerung an die ungeheuren und
unentrinnbaren rituale der vernichtungszeit allein schon dadurch
erträglicher macht daß es als gegenentwurf zur geltung
kam obwohl es dem heerzug der massenzivilisation nicht zynisch
marodierend oder in egomaner trance hinterherzog sondern weil
es auf die normen der industriellen produktion sich einließ
durch ein noch längst nicht abgeschlossenes werk dessen
langsamer triumph sich weder dem rückzug in die tradition
gewordene künstlerwerkstatt der frührenaissance noch
einer bloß parodistisch-polemischen entgegensetzung verdankt
sondern der intellektuellen umkehrung der realen produktionsverhältnisse
definitiv dadurch daß sich ein einzelner (hier als das
allgemeingültige äquivalent für den stets einen
gesellschaftlichen sonderstatus reklamierenden begriff des künstlers)
der fabrik bemächtigt hat
doch anders als eine dunkle schrift die nur des rohrs der tinte
und papiers bedurfte um irgendwann die nacht zu erhellen wie
der lavastrom eines nur scheinbar erloschenen vulkans brauchen
werkmeister wie er die gegenwärtige stunde um wirksam zu
werden und wenigstens einige die einsehen daß dieses land
noch reich genug ist um einen wie ihn schuften zu lassen bis
ihm die arme abfallen und noch nicht arm genug um nicht das mit
fadenhaltigem schein bezahlen zu können was dem recycling
kategorisch sich entzieht wenigstens einige wenige die einsehen
daß der einzelne in dem die leistungskraft und das soziale
gewissen einer industrienation sich individualisierte vor allem
eines verdient hat sich vor aufträgen nicht retten zu können
so lange er atmet
friedenstore den städten und rosetten den abraumhalden stillgelegter
gruben gealterte stelen dem andenken vorausgeeilter ulmen mit
sich selber kommunizierende röhren vor der charybdis der
zentralen wunderbare brücken über den fluß und
vor den werken endlich feierliche werkstücke deren wahrheit
höher ist als die unerbittliche vernunft des rasenden tags.
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