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Ich, Ettore Gezzini

Wir, die Gezzinis, sitzen also in der ersten Reihe, löhnen auch für den Fernseher im Hinterzimmer unsrer Reiselimousine und müssen mitansehen, daß das, was uns für unser Geld auf der Mattscheibe geboten wird von den sogenannt öffentlichen Anstalten, von Mal zu Mal matt und matter wird. Wir getreuen Gezzinis nämlich, die wir seit nunmehr mehr als fünfunddreißig Jahren der täglichen TV-Strahlendosis freiwillig uns aussetzen, wir gebührenzahlenden, noch nicht verkabelten Gezzinis sind zwar inzwischen ein wenig verblödet, doch so sehr nun wieder auch nicht, als daß wir stillschweigend mitansehen sollten, wie, ohne Übertreibung gesagt, die Programme unserer beiden öffentlichen Anstalten, was die Dürftigkeit und den Stumpfsinn anlangt, dem Zeitvertreib in einer geschlossenen Anstalt sich annähern, und ich weiß, daß ich mit dieser Feststellung eher den geschlossenen Anstalten Unrecht tue, mit Sicherheit denjenigen in ihnen, die aus der Dürftigkeit dieses Lebens in ihre individuelle Welt sich zurückgezogen haben. Ich, Ettore Gezzini, bin im Radio dabei, wenn zwanzig vor fünf durchgestellt wird zur Konferenzschaltung, und schalte nach dem wohlverdienten wöchentichen Bad die Sportschau ein, um nachzusehen, ob beispielsweise Eilts tatsächlich im Abseits war. Von jetzt an ist Schluß damit. Vom Sommer an soll ich zur gleichen Zeit, im gleichen Sender, Bingo, Glücksrad oder irgendeine Billigserie sehen. Ich bin ja vieles gewöhnt und ertrage viel, doch jetzt verstehe ich nicht mehr, was sich die Intendanten für mich denken. Gemessen an der Realität des grünen Rasens und der vollen Stadien sind doch die ausgeleuchteten Kulissen fauler Zauber, und ich behaupte sogar, daß jene samstäglichen Bilder von Sieg und Niederlage, Schmerz und Frohlocken, selbst die Geschäftigkeiten der Sportreporter, sich und uns ja kein Detail von diesem allen entgehen zu lassen, der Welt, so wie sie wirklich ist, noch immer etwas näher sind, als diese aus mehr oder weniger sorgfältig ausgewählten Ausschnitten zusammengecuttete Pseudowelt, die uns in unsren Wohnzimmern das Dasein in der Wirklichkeit ersetzen soll. Bis heute saß ich in der ersten Reihe; ab morgen werde ich ganz hinten sitzen, und hoffe nur, daß mir der Spot erspart bleibt, der mich vom Gegenteil beschwatzen will. Ich fühle mich verspottet, wenn ich woanders lesen muß, daß Kirch und Springer auf fünf Jahre dem Deutschen Fußballbund die Senderechte abgequankelt haben, komplett für 140 Millionen jährlich, wenn ich erfahre, daß ARD und ZDF zusammen, für die paar Schnipsel, die sie dann noch senden dürfen, jährlich 55 Millionen zahlen an die Medienmilliardäre. Die ziehen, wenn ich richtig rechne, aus den restlichen 85 Millionen den Nutzen von 120 oder 150 Fußballstunden und aus denen wieder, rund gerechnet, 120000 von Orga, Hedona und Nixda teuer bezahlte Werbesekunden. Da dürfte eine Kleinigkeit noch übrig bleiben. Ich kann nicht einsehen, warum dasselbe für die Anstalten, die sich für unsere sauer verdienten Gebühren zu umfassender Berichterstattung verpflichtet haben, nicht ebensogut möglich gewesen sein sollte. Ich sehe nicht ein, warum sich die öffentlichrechtlichen Anstalten, zu unserem Schaden, diese absonderlich halbherzige Abstinenz in Werbesachen auferlegen. Oder liegt das etwa daran, daß die Produktionen dieser Sender den Vergleich schon scheuen müssen mit den Spots und Highlights der Werbedesigner? An öffentlichrechtlichen Anstalten, in welchen die fixen Kosten, in welchen überzogene Entertainergagen, in welchen verschwenderische Aufwendungen für Unsinn der Sonderklasse den nicht unbeträchlichen Etat soweit verzehren, daß uns für unser Geld nur Serienware noch frei Haus geliefert werden kann, sind wir verspotteten Gezzinis nicht mehr interessiert. Dann müßte eben auch Schluß sein mit dieser an sich bewährten und darum eigentlich erhaltenswerten Institution. Die Sattinis bekommen Fußball satt; wir Gezzinis aber sitzen auf unsrem Plüschsofa in der ersten oder zweiten Reihe und gucken in die Röhre. Wenn das so weiter geht, stornieren wir doch lieber unsern Dauerauftrag und heißen wieder einfach Meier und Müller, oder was?