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Clavis Hoelderliniana

26  Katharsis

'Wo das Aas ist, sammeln sich die Adler.' Die Anziehungskraft Hölderlins geht von dem aus, das geleugnet wird. Die durchlittene Schönheit wird zum Objekt einer merkwürdig aus Liebe und Verachtung gemischten Bewunderung, wie sie auch exotischen Tieren gilt – Sentimentalität über die verlorenen 'Instincte der Menschen zur Musenzeit', (1) reichlich aufgewogen durch den Hochmut inzwischen gewachsener Erkenntnis. Jener überdeckt mit grauenhafter Nüchternheit die unsagbar gewordene Trauer. Weihräuchernde Taumelei, die assyrische Vergötzung, der selbstherrliche Zugriff des Aegyptischen: beides verfehlt. Aber wer läßt sich schon zum Schweigen überreden? Die Mechanik des Eingefahrenen muß über den 'schwaigenden' Zuruf hinweggehn, 'Heiliges' sei nicht 'wie ein Gewerbe' zu treiben. (2) Hölderlin plante ein Gedicht, das die Überschrift DER TODTENGRÄBER tragen sollte. (3) Das Land liegt voller Leichen. Die sind auf den Karren zu werfen und zu begraben; von deren Waffen ist ein Feuer zu entfachen. Usurpatoren: unter dem Vorwand zu helfen berauben sie die Einwohner. Autoren reißen an sich, indem sie es mitteilen. Doch jene 'glänzenden Räthsel', 'Gaaben der Mutter', sind nicht umsonst 'gesendet'. (4) Die prahlerisch publizierten Lösungen bringen ums Finden. Dagegen verstoßen, schlimmer als andere, auch diese Texte. Sie mußten aufdecken, um glaubwürdig zu sein.

(1) BR 45; St.A. 2,1 S. 327
(2) DER TOD DES EMPEDOKLES 1. Fass.; St.A. 4,1 S. 23
(3) BR 58; 2,1 S. 332
(4) cf. 21, Anm. 3