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/ d e sattler - entwuerfe publikationen / entwuerfe vor 1975 /


Clavis Hoelderliniana

25  Naturbeschreibung und Natursprache

Ein wilder Hügel aber stehet über dem Abhang
Meiner Gärten. Kirschenbäume. Scharfer Othem aber wehet
Um die Löcher des Felses. Rechts liegt aber
Der Forst. (1) Allda bin ich
Alles miteinander.

Der Ort ist wirklich. Die höhnende Glosse 'ma ton horkon' – 'der Gelehrten halb' (2) an den Rand geschrieben – gehört zur Allusion, bezeichnet jedoch in der natürlichen Wiederholung der änigmatischen Metapher vom Abgrund jene senkrecht ins Innere des Teckfelsens führende Höhle, wenige Schritte neben jenen Zinnen, Höhlungen und Durchbrüchen, hinter denen der Blick in schwindelerregende Tiefe stürzt. Dort 'tönt es wieder' von den ehrgeizigen Schwüren des Knaben und 'von den Klagen' des Geschlagenen. So real dies, so wenig konkret sind die Ortsbezeichnungen, die sich in den späten Entwürfen häufen; unter der topographischen Schicht bilden sie Unsagbares gleichsam lettristisch ab. Diese 'Dankbarkeit und Natürlichkeit' haben ihm die 'Gasgognischen Lande gegeben'. In DAS NÄCHSTE BESTE steht dem Wort 'Gasgone' 'Charente' (3) antithetisch gegenüber, Landschaften hügeliger Gärten und feuchter Wiesen; letztere noch gestützt von der Assonanz an asphodelische Gefilde – doch 'Gasgone' ist nur noch Klang. Sanft und herb 'steigt bis zu Schmerzen der Nase Citronengeruch auf und das Öl, aus der Provence', ein Departement, das er nie betrat. Auch dies kontrastiert dem 'Gasgognischen'. Jacob Böhme eröffnet sich die 'Natursprache' beim Nennen des Namens. Auch ihm ließ der Geist die 'Blume des Mundes zurük' (4), und er versucht, was Hölderlin zuletzt als Geruch beschreibt, mit Wahrnehmungen des Geschmacks namhaft zu machen. 'Das Innere herrschet durch und durch (wie das Feuer im glühenden Eisen).' (5) 'Das Wort Mer ist aus der strengen Herbigkeit. Denn im Wort auf der Zunge verstehst du es, daß es aus der Herbigkeit karret, verstehst auch, wie der bittere Stachel darinnen sey, denn das Wort Mer ist herbe und zitternd. So formet sich ein Jedes Wort von seiner Kraft, was die Kraft thut oder leidet. Das wort Cu ist des Stachels Reibung und Unruhe, die sich erhebt, aufsteiget und mit Kraft vom Herzen zum Mund ausdringet, doch alsbalde von der Sylbe Ri gefangen wird und ist das bitter-stachlichte Rad der Gebärung, das sich dreht und ängstet, die Sylbe Us' schließlich 'der geschwinde Feuerblitz, der sich zwischen Herbigkeit und Bitterkeit im geschwinden Rade entzündet'. (6) Solches Sprechen ist 'Neue Bildung aus der Stadt'. Es gehört keine Klugheit und auch keine Einweihung dazu; die 'Nahmen der seltnen Orte' (7) sind nur nachzusprechen.

(1) VOM ABGRUND NEMLICH…; diese präzisierende Ergänzung ist nicht in den Text aufgenommen
(2) St.A. 2,2 S. 886 u. 2,1 S. 339 (BR. 80); der Zusammenhang ist nicht beachtet
(3) St.A. 2,1 S. 237
(4) GERMANIEN; St.A. 2,1 S. 151
(5) Vergl. PATMOS Ansätze zur letzten Fass.: 'Eingeboren, glühend wie Feuer roth war im Eisen das.' St.A. 2,1 S. 187; J. B. a. a. O. IV S. 29
(6) a. a. O. II S. 12f.
(7) WENN AUS DER FERNE…; St.A. 2,1 S. 263