/ d e sattler - entwuerfe
publikationen / entwuerfe vor 1975 / Clavis Hoelderliniana 12 Vestigkeit 'Zwischen dem Ausdruke (der Darstellung) und der freien idealischen Behandlung liegt die Begründung und Bedeutung des Gedichts. Sie ists, die dem Gedichte seinen Ernst, seine Vestigkeit, seine Wahrheit giebt.' (1) Die wechselnden und den Sinn stets invers wiedergebenden Töne wären Luftgeist, läge ihnen nicht eine veste Bedeutung zu Grunde. Eine Wortfelduntersuchung, was vest bedeute, muß Hölderlins keineswegs willkürliche Unterscheidung von vest und fest beachten. In der Hymne WIE WENN AM FEIERTAGE stehen sich beide Schreibungen gegenüber. Nach dem Ausruf 'Das Heilige sei mein Wort.' erwacht mit 'Waffenklange die Natur', eine, die in ihrer Natürlichkeit schlief, und 'hoch vom Äther bis zum Abgrund nieder, nach vestem Geseze, wie einst, aus heiligem Chaos gezeugt, fühlt neu die Begeisterung sich, die Allerschaffende wieder.' (2) Zum Schluß, abbrechend, heißt es dann: 'Und tieferschüttert, die Leiden des Stärkeren mitleidend, bleibt in den hochherstürzenden Stürmen des Gottes, wenn er nahet, das Herz doch fest.' Aber diese Festigkeit kann zerbrechen, zerbricht, denn gleich darauf folgt das herzzerreißende: 'Doch weh mir! Weh mir!' (3), das aufdeckt, was für ein verzagt Ding das Herz sei. Auch darum wird das Gedicht nicht vollendet. Anders jenes veste Gesez, aus heiligem Chaos gezeugt: dies ist wahrhaft unveränderlich. Hölderlin glaubt das Heilige nicht als erdachte Neuigkeit, sondern dieser wesentlich, als Vestigkeit. Weil er heiligwahr ist, ist der 'veste Buchstab', das Bestehende, zu pflegen und gut zu deuten. (4) Seine Wahrheit steht nicht in der durch Kenntnisse und Verbreitung gebrochenen Gestalt, sondern innen. Wenn Hölderlin, was von jedem selbst zu prüfen ist, vom vesten Wort abhebt, so ist mit dieser Einsicht nichts bewirkt. Das Veste ist verschlossen; dort erst beginnt der Gedanke. Damit daran kein Zweifel sei, ein später Satz, der freilich des Wahnsinns zu zeihen ist: 'Von Gott aus gehet mein Werk.' (5) (1) ÜBER DIE VERFAHRUNGSWEISE DES POETISCHEN GEISTES; St.A. 4,1 S. 245 (2) St.A. 2,1 S. 118 (3) St.A. 2,1 S. 120 (4) PATMOS 1. Fass.; St.A. 2,1 S. 172 (5) BR. 39; St.A. 2,1 S. 326 |