/ d e sattler - entwuerfe
publikationen / entwuerfe vor 1975 / Clavis Hoelderliniana 10 Gegenrythmische Cäsur Für tragische Gebilde gilt die Homburger Theorie nur modifiziert. Dort ergab sich der Prozeß eines Gedichts aus der Reihung gegenläufiger Triaden nach verschieden programmierendem Kalkül. Den Unterschied definiert Hölderlin in den ANMERKUNG ZUM OEDIPUS: 'im Tragischen mehr Gleichgewicht, als reine Aufeinanderfolge'. (1) Weil nun seine eigenen Umstände sich tragisch verändern, spricht er nicht mehr als ein stehend Schauender, sondern leidend, selbst ergriffen. Die Identifikation mit den untergehenden Helden ist vollkommen; die letzten Entwürfe sind Gegenreden, die keines Protagonisten und Chores mehr bedürfen. Kraft gelernter Mechanik und Denkens, dem nichts mehr gilt, das die Welt schon gesetzt hat als eine Übergehende, versöhnt der Geist seine eigenen Klagen zu Frohlocken, ehrt 'Peitsch und Zügel'. (2) Zwar besteht auch der tragische Transport in der rhythmischen Aufeinanderfolge von Vorstellungen, doch wechseln diese nicht mehr in statischen Quantitäten, sondern organisch pulsierend. Jetzt ist die poetische Struktur nicht mehr an Strophenfugen ertastbar, dies wäre der asianische Strömung des Gesanges wenig angemessen. Eine 'gegenrhythmische Unterbrechung' ist 'nothwendig, um nemlich dem reißenden Wechsel der Vorstellungen, auf seinem Summum, so zu begegnen, daß alsdann nicht mehr der Wechsel der Vorstellung, sondern die Vorstellung selber erscheint.' (3) Das Wahre wird im 'Riß leibhaftig' (4) hörbar, wie das furchtbare Wort des Tiresias im Oedipus und in der Antigonae. Der Adler 'rufet' 'den Accent'. (5) Jener blendende Schrei gliedert das Gedicht in zwei gegeneinander geneigte Partien, 'daß sie, als gleichwiegend, erscheinen'. (6) Dies ist in jenen späten Entwürfen nachzuweisen, in deren Gestalt sich das intendierte Ganze schon abzeichnet. (1) St.A. 5 S. 196 (2) VOM ABGRUND NEMLICH ; St.A. 2,1 S. 338 (als BR. 76) (3) St.A. 5 S. 196 (4) So Th. W. Adorno in: Mahler, eine musikalische Physiognomik; Frankfurt 1960; S. 11f. (5) . . DER VATIKAN ; St.A. 2,1 S. 252 (6) St.A. 5 S. 196 |