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anmerkungen zu
emery e. george,
'Das Tao der Unübersichtlichkeit. Über die Bände
7/8 (gesänge I, II) der Frankfurter Hölderlin-Ausgabe'
- hoelderlin-jahrbuch, 32. bd, 2000/2001, p 345-365
emery e. george,
u a 'Hölderlin's 'Ars Poetica'. A Part-Rigorous Analysis
of Information Structure in the Late Hymns', mouton 1973, mitherausgeber
FHA supplement III 'Homburger Folioheft', stroemfeld / roter
stern 1986, 'Hölderlin and the Golden Chain of Homer. Including
an Unknown Source', the edwin mellen press 1992, 'Hölderlin's
Hymn 'Der Einzige'. Sources, Language, Context, Form', bouvier
1999, textkritische aufsaetze zu hoelderlin
die mit beleidigungen und unterstellungen durchsetzte, die innerhalb
einer historisch-kritischen ausgabe notwendige chronologische
anordnung des materials ablehnende und ebenso die segmentierte
schreibweise vide folioheft p 68:40-58
Wie Meeresküsten,
wenn zu baun
Anfangen die und herein
Schifft unaufhaltsam, eine Pracht, das Werk
Der Woogen, eins ums andere, und die Erde
Rüstet sich aus, darauf vom Freudigsten eines
Mit guter Stimmung, zu recht es legend also
Schlägt es dem Gesang, mit dem Weingott, vielverheißend
Und der Lieblingin
Des Griechenlandes
Der meergeborenen, schiklich
Blikenden das gewaltige Gut ans Ufer.
sowie den 'rapport'
der segmente vide folioheft p 79:1-3
Zu Schiffe aber
steigen
ils crient rapport, et fermés maison,
tu es un saisrien
und somit die diskussion
chronologischer und semantischer details ausschlieszende rezension
enthaelt drei kontroverse, pars pro toto aufgebotene lesarten:
I
Sattlers Lesart
'immergekettet' ('Der Einzige', 337/2, 2; 7, 489, 2)
ist fehlerhaft; hier läßt er Dietrich Uffhausens richtige
Leseweise 'immerge[b<unden?>-kette[n>t> total außer
Acht. Uffhausens Lesart legt ein vom Dichter nicht ausgeführtes
Lemma 'immergebunden' mit höchst präziser Intuition
nahe ('k' aus 'b' und 't' aus 'n' sind in der Hs. klar zu sehen).
[fusznote:] Dargelegt in: Friedrich Hölderlin, 'Bevestigter
Gesang'. Die neu zu entdeckende hymnische Spätdichtung bis
1806. Hrsg. und textkritisch begründet v. Dietrich Uffhausen,
Stuttgart 1989, 93, Z. 28 [
]. Ausführliche Erklärung
der Lesart, vgl. Emery E. George [Hölderlin's Hymn 'Der
Einzige'. Sources, Language, Context, Form. Bonn 1999], Kap. I,
Anm. 28 (333)
offenbar wird die regulaere oberschleife des 'k' als 'b' gelesen
[
] das in
der Hs. ebensoklar [sic] zu sehende Kreuz, mit den beiden Strichen
unter ihm, wohl eine Kette darstellend (von Sattler unrichtig
als 'trennzeichen und signatur' bezeichnet [7, 489, Anm.
zu Z. 2]).
vide d e sattler,
friedrich hoelderlin. 144 fliegende briefe, darmstadt und neuwied
1981, 2. bd, p 388f.; zu diesem problem auch schriftwechsel
mit emery e. george (in vorbereitung)
II
Geht man aber diesen
'Verbesserungen' nach, so findet man auch Verschlimmbesserungen,
wie z. B. die eigensinnig ändernde Zeile 'Vor Gott
aus gehet mein Werk' (Hs. 313/2; 7, 476-477). [
]
In die Kategorie der Aufnahme problematischen Textmaterials gehört
auch die isolierte Zeile 'Von Gott aus gehet mein Werk.' Über
dieses Notat (Bruchstück 39) schreibt Beißner, es
stehe 'am oberen Rande der Seite [Homburg G 14v, d. h. 313/2],
über v. 25 dritter Fassung des Gesangs Der Einzige;
früher als die Niederschrift dieser Fassung und ohne Zusammenhang
mit ihr' (StA II, 940, 18-20). Eigensinnig ändernd,
wie zuvor bemerkt, aller Wahrscheinlichkeit nur, weil Beißner
'Von' schreibt (in der Hs. [313/2 oben, links; 7, 476] ist
nicht auszumachen, ob 'Von' oder 'Vor' die richtige Lesung ist),
erwidert Sattler mit 'Vor Gott aus gehet mein Werk' (S 129; 8, 785) und gebraucht
die Zeile in den zu Hs. 474 (Warthäuser Blatt) gehörigen
Textsegmenten, ohne handschriftlichen Beleg einfach aufgenommen.
Freilich verfälscht der Neukömmling den ursprünglichen
Text.
die zeile enthaelt
neben der neuen lesart im ersten noch ein weiteres 'r' im sechsten
und zum vergleich ein schlusz-'n' im fuenften wort; fuer die
praeposition 'Vor' statt des bisherigen, in dieser form eher
unstatthaft wirkenden 'Von' gibt es einen analogen beleg am schlusz
der im spaetsommer 1802 zum druck befoerderten ode 'Dichterberuf':
Furchtlos bleibt
aber, so er es muß, der Mann
Einsam vor Gott, es schüzet
die Einfalt ihn,
Und
keiner Waffen brauchts und keiner
Listen,
so lange, bis Gottes Fehl hilft.
III
Um nur zwei Beispiele
für Sattlers eigensinnig ändernde Entscheide zu zitieren:
für die Schlußzeile des dritten Entwurfs vom Gesang
'Der Einzige': 'Den Himmlischen gefehlet an den andern. Diesesmal'
(StA II, 753, 6) liest Sattler: 'Den Himmlischen gefehlet
an der andern' (s. HF [sic] 313/4, 33; 7, 480,
481; vgl. S 1331,
Z. 96; 8, 788-790; hier: 790).
sichtbar auch hier
der unterschied am ende der artikel 'den' und 'der'; waehrend
die fruehere, durch das schriftbild nicht gestuetzte 'lesart'
einen bezug auf die vorgenannten 'Herkules' und 'Bacchus' herstellt,
bezieht sich 'der' auf das die syntax des nachsatzes bestimmende
'an Gegenwart' am ende der vorigen zeile
so wie die seit 1975 oeffentliche arbeit von anfang an das prinzip
der prozessualitaet gegen den endgueltigkeitsanspruch der jeweils
neuesten historisch-kritischen ausgabe setzte und, nach diesem
modell, im titel besser
' v e r s u c h e i n e r
h i s t o r i s c h - k r i t i s c h e n
e d i t i o n '
hiesze, waren und sind auch die im sommer 2001 vorgelegten baende
7/8 'gesänge' als grundlage einer weitergehenden erforschung
und praezisierung der werkgenese und ihrer intentionen gedacht
in diesem sinn kann die vorstehende zurueckweisung nicht repraesentativ
sein; zu erwarten wäre vielmehr eine objektivere, nicht
von subjektiver verstimmung gepraegte pruefung der vorgelegten
ergebnisse, nicht aber eine pauschale ablehnung der die form
und erkenntnisarbeit der edition bestimmenden praemissen
von selbst versteht sich, dasz jene produktive diskussion nicht
auf der grundlage eines nach den maximen von leseausgaben vorgeordneten
materials stattfinden kann; denjenigen, die sich auf sie einlassen,
bleibt nicht erspart, sich auf die vom dichter vorgegebenen bedingungen
einzulassen: diese bestehen - kurz gesagt - in jener der handschrift
eingelassenen und nach kuenftiger ordnung duerstenden diskontinuitaet
raeumlicher und zeitlicher verhaeltnisse
Doch kommt das,
was ich will
folioheft
p 73
solange aber vermeintliche
oder nachweisliche fehler in vernichtender absicht vorgetragen
werden, ist die 'gute Stunde' des dichters noch nicht da; rezeptionsverweigerung
und polemik sind reaktion an sich und nichts weniger als adaequat;
wenn zuzugeben ist, dasz sich die edition in ehrlicher weise
um die darstellung des werkprozesses und, soweit dies einem nachgeborenen
moeglich, um die realisierung hoelderlinscher intentionen bemueht,
gilt die rezeptionsverweigerung primaer den intentionen des werks
und sekundaer erst der darstellung des herausgebers; zu fragen
ist ernsthaft, wer von uns mehr angelernten als gelehrten zu
einem urteil ueber das berechtigt waere, was einem dichter wie
diesem zuzutrauen sei und was nicht; in beklemmender weise wiederholen
jene ohne gutwillige pruefung ausgesprochenen urteile die anmaszung
und verstaendnislosigkeit zeitgenoessischer hoelderlin-kritiken
nachtrag
um eine nicht zu lasten der unersetzlichen handschriften gehende
pruefung zu ermoeglichen, initiierte die arbeitsstelle historisch-kritische
hoelderlin-ausgabe bremen die archivalische sicherung des hoelderlin-nachlasses
durch unter gleichbleibenden aufnahmebedingungen hergestellte
farbdias; etwa 600 von 3000 seiten wurden aufgenommen; sie lagen
der editionsarbeit zugrunde; gespraeche, schriftwechsel und antraege
zum 1998 begonnenen projekt der gesamtaufnahme und ihrer veroeffentlichung
in einer dokumentaredition fuehrten bislang zu keinem erfolg;
auch der appell zur kooperation mit der hoelderlin-gesellschaft
in dieser frage bei vorstellung der baende 7/8 waehrend
der diesjaehrigen jahresversammlung durch den herausgeber
blieb ohne resonanz
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